Oft stehen die laut Stellplatzsatzung vorgeschriebenen Stellplätze leer. So wird wertvoller Wohnraum verschenkt.

Stellplatzsatzung: Wie die Stellplatzverordnung den privaten Mietwohnungsbau blockieren kann

Sie planen, ein Mehrfamilienhaus zu bauen? In der Autofahrer-Nation Deutschland lohnt es sich, vorher einen gründlichen Blick in die Stellplatzverordnung des jeweiligen Bundeslandes bzw. Gemeinde zu werfen. Diese legt fest, wie viele Parkplätze für Autos beim Neubau einer Wohnung berücksichtigt werden müssen – ganz gleich, ob die Mieter tatsächlich Gebrauch davon machen wollen oder nicht …

Sie haben schon vor Monaten ein Grundstück entdeckt, mit dem Sie liebäugeln und wollen nun einen Architekten für den Bau eines Mehrfamilienhauses beschäftigen? Stopp! Ehe es mit der Planung losgeht, lohnt es sich, einen genaueren Blick in die Stellplatzsatzung Ihres Grundstücks zu werfen. Unter Umständen kann die Stellplatzsatzung Ihr Bauvorhaben nämlich gehörig blockieren.

Was ist die Stellplatzverordnung und wieso ist sie für Ihr Bauvorhaben so wichtig?

Für viele Autofahrer ist er unersetzlich: der Parkplatz für das eigene Fahrzeug. Dieser wird in unserer Autofahrer-Nation, in der mindestens 83 Prozent einen eigenen PKW besitzen, von der Landesbauordnung in der sogenannten „Stellplatzverordnung“ festgelegt. Die Stellplatzverordnung oder Stellplatzsatzung ist ein Ortsgesetz und gibt vor, wie viele Parkplätze bzw. Stellplätze für PKW und Fahrräder errichtet werden müssen. „Müssen“, denn hierbei handelt es sich tatsächlich um eine Pflicht, der Sie als Bauherr nachkommen müssen. Bei einer fehlenden Berücksichtigung können hohe Geldstrafen, wie etwa 10.000 € im Ort  Schulzendorf, gefordert werden. Die Zahl der Stellplätze kann von Bundesland zu Bundesland erheblich schwanken. So werden teilweise zwei Stellplätze pro Wohnung gefordert, während andernorts komplett auf den Bau eines Parkplatzes verzichtet wird.

Wie sinnvoll ist die Stellplatzverordnung?

Passt die Stellplatzverordnung noch in ein Zeitalter, in dem Themen wie „Umweltschutz“ und „Nachhaltigkeit“ in der Bevölkerung großgeschrieben werden, während Politiker munter über Tempolimits und Hybridautos diskutieren? Die Frage scheint durchaus berechtigt. Aktuell wird das Thema deshalb auch in vielen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. So besteht in Berlin und Hamburg keine Stellplatzbaupflicht für Wohnungen, wodurch mehr Fläche für den hier knappen Wohnraum bereitgestellt wird. In Baden-Württemberg wurde die Stellplatzverordnung 1995 erneuert, sodass heute der Öffentliche Personennahverkehr mit berücksichtigt wird; zudem kann bis zu ein Viertel der notwendigen Stellplätze durch Fahrradstellplätze ersetzt werden. Diese Möglichkeit besteht jedoch keineswegs überall. 

Die Stellplatzverordnung steht in Zeiten der Wohnungsknappheit vielerorts im Widerspruch zu den Interessen von Mietern und Bauherren: Für den Bauherren ist die Anforderung an Stellplätze und Zufahrten mit Kosten und einem höheren Flächenverbrauch verbunden, die nur ungleich über Einnahmen gedeckt werden. Insbesondere kann die Stellplatzpflicht die Anzahl der möglichen Wohnungen stark beschränken, wenn die Miethöhen keine Tiefgaragen zulassen.  

Kurzes Rechenexempel zum Verlust der Baufläche durch die Stellplatzverordnung

Damit Sie bei der Planung Ihres Neubaus am Ende die Rechnung „nicht ohne die Stellplatzverordnung gemacht haben“, sollten Sie einen genauen Blick auf die Webseiten der Gemeinde werfen: Die darin enthaltene Stellplatzverordnung kann Ihre Kalkulation gehörig durcheinanderbringen und aus einer vielversprechenden Kapitalanlage ein gar nicht mehr so lukratives Geschäft machen. Beispiel gefällig?

Nehmen wir einmal an, Sie möchten ein Grundstück mit einer Fläche von 1.000 m2 bebauen. Der Bebauungsplan gibt hier folgende Beschränkung vor, sodass sie maximal 400 m2 mit einem Haus bebauen und 200 m2 für versiegelte Flächen in Form von Stellplätzen, Carports oder einer Garage jeweils inkl. Zufahrten. Das ist Platz für  etwa 6-8 Autos ((Hier Grafik erstellen, Stefan))  Legt die Stellplatzverordnung nun weiter fest, dass zum Beispiel zwei Stellplätze pro Wohnung zu errichten sind, ergibt sich daraus eine maximale Anzahl von 3-4 Wohnungen. Angenommen, das Gebäude könnte 2 Geschosse plus Dachgeschoss groß gebaut werden, ergeben sich sehr große Wohnungen von deutlich über 100 m2 Wohnfläche. Diese sind jedoch schwer bzw. an manchen Orten auch nicht vermietbar. Die doppelte Anzahl der Wohnungen bei halber Wohnungsgröße ist jedoch nicht zulässig, weil die Anzahl der Stellplätze nicht nachgewiesen werden kann.

Die Stellplatzsatzung in Zeiten von Carsharing und neuen Mobilitätskonzepten

Ein Problem der Stellplatzverordnung ist, dass sie sich wenig an der Realität orientiert beziehungsweise den konkreten Bedarf nicht berücksichtigt. So kann es beispielsweise sein, dass die Mieter eines Hauses sich gegen ein Auto entscheiden und dennoch an der Stellplatzverordnung samt hier geforderten Parkplätzen festgehalten wird, sie auf neue Mobilitätskonzepte wie CarSharing setzen oder aber eine gute ÖPNV-Anbindung den Bedarf an Stellplätzen weitestgehend überflüssig macht. Auch das Stadtbild profitiert von autofreien Bereichen, zumal unzulässiges Parken im Straßenverkehr vom Ordnungsamt aufgenommen wird. Einige Städte beziehungsweise Stadtteile haben hierauf bereits reagiert. So soll es in Hamburg zukünftig keine Selbstverständlichkeit mehr sein, dass jedes Haus über einen eigenen Parkplatz verfügt. Ein erster Versuch zum Verzicht auf Stellplätze beziehungsweise Parkplätze findet derzeit im geplanten Wohnquartier am Harkshörner Weg statt.

Neue Stellplatzordnung für die Mobilitätswende

Im Hamburger Harkshörner Weg stehen aktuell Konzepte wie „Quartiersgaragen“ und Maßnahmen zur „Mobilitätswende“ zur Diskussion, die für den Bauherren eine positive Entwicklung der Stellplatzsatzung darstellen. Im neuen Stellplatzkonzept der Quartiersgaragen sollen Stellplätze in Garagen gebündelt werden. Dies reduziert die Anzahl der Stellplätze erheblich, sodass von 500 Bewohnern nur für 85 ein Stellplatz vorgesehen wird. Ein weiterer Bestandteil des neuen Mobilitätskonzepts sind Anlaufpunkte für Car- und Bikesharing in sogenannten „Mobility Hubs“. Diese ermöglichen es den Bewohnern, mobil zu sein, ohne dabei von einem eigenen Auto Gebrauch machen zu müssen.

Was Sie gegen die Stellplatzverordnung tun können

Bürokratie hat im Baugewerbe seine Vorteile und verhindert vielerorts Chaos und Unzufriedenheit; man stelle sich vor, der eigene Nachbar würde einem plötzlich durch den Bau eines überdimensionalen Carports die Sicht von der Terrasse rauben. Für eben solche Fälle gibt es die Bauordnung oder Bebauungspläne. Im Fall der Stellplatzverordnung werden Bauvorhaben hier jedoch stellenweise verkompliziert und blockiert. So unterliegen sogar Projekte für autofreies Wohnen der Stellplatzverordnung und machen es nötig, dass sich Bewohner an die Autofreiheit vertraglich binden, etwa durch die Organisation in Vereinen. Als Kernanforderung wird hier der Verzicht der Mitglieder auf das eigene Auto gefordert.

Wer nicht für Parkplätze sorgt, muss zahlen

Da die Stellplatzverordnung in der Landesbauordnung geregelt wird, können Sie nur bedingt  etwas gegen die Anforderungen der geltenden Stellplatzverordnung tun; werden die hier verankerten Regeln nicht beachtet, kann es zu hohen Geldstrafen kommen (z.B. 10.000 Euro in Schulzendorf). 

Schlupflöcher wie die Vereinsgründung der Mieter eines „autofreien Wohnens“ sind mit organisatorischem sowie bürokratischem Aufwand verbunden, der sich mit der gründlichen Planung ihres Bauvorhabens erheblich reduzieren lässt. Damit die Stellplatzverordnung Sie nicht in Ihrem Bauvorhaben einschränkt, lohnt es sich, die jeweils geltende Verordnung der Länder zu vergleichen.

Keine Lust auf Parkplätze? Ablösesumme zahlen und fertig?

Ein Beispiel aus einer Stellplatzverordnung ist unter anderem die Ablöseklausel, in deren Stellplatzverordnung die Möglichkeit, eine Ablösesumme für Stellplätze zu zahlen, eingeräumt wird. Hier heißt es oft:  

„Ablösung von Stellplätzen (1) Ist die Herstellung der notwendigen Stellplätze und notwendigen Fahrradabstellmöglichkeiten auf dem Baugrundstück oder auf einem geeigneten Grundstück in zumutbarer Entfernung nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich, so kann der zur Herstellung Verpflichtete gegen Zahlung eines Geldbetrages (Stellplatzablösebetrag) an die Stadt von der Pflicht zur Stellplatz-Herstellung befreit werden.“

Leider ist “kann” kein Rechtsanspruch und die Praxis zeigt, dass die Voraussetzungen für die Ablösung mancherorts sehr hoch gesetzt sind, und die Klausel dann halt doch nicht beim Mietwohnungsbau hilft. Dennoch empfehlen wir die intensive Kommunikation mit der Gemeinde (Bauausschuss), der die Hoheit über die selbst auferlegte Regel hat und dann auch Ausnahmen genehmigen kann. Oder Sie motivieren Ihre Gemeinde gleich zu einer der Zeit angepassten Stellplatzsatzung, die den Mietwohnungsbau fördert anstelle zu behindern.

So machen Sie die Rechnung mit der Stellplatzverordnung

Damit es bei der Planung Ihres Neubaus am Ende keine böse Überraschung gibt, sollten Sie die folgenden Dinge beachten: 

1)    Lesen Sie die Stellplatzverordnungen ihrer Gemeinde 

Die Stellplatzverordnung kann je nach Bundesland/Gemeinde erhebliche Unterschiede aufweisen. In einigen Bundesländern und Städten können Sie, anstatt einen Parkplatz zu realisieren, eine Ablösesumme zahlen, andere Stellplatzverordnungen lassen gänzlich andere Mobilitätskonzepte zu, z.b. sogenannte Mobilitätskonzepte wie Mieter-Carsharing. Reden Sie mit der Gemeinde über die selbst verordnete Stellplatzsatzung und die Möglichkeit einer Befreiung für den günstigen Mietwohnungsbau.

2)    Prüfen Sie die Umsetzbarkeit im Lageplan

Stellplätze sind bei kleinen Grundstücken mitunter schwierig zu errichten. Die Umsetzbarkeit sollte daher frühzeitig im Lageplan geprüft werden. Dazu ist die Anfertigung einer Zeichnung sehr sinnvoll. Diese sollte auf Basis des Katasterplanes in Verbindung mit den Vorgaben des Bebauungsplanes erfolgen. Ihr Architekt wird Ihnen dabei helfen.

3)    Behalten Sie die gesamten Baukosten im Blick 

Die Stellplatzverordnung treibt die Baukosten unabhängig von den Kosten für das Gebäude nach oben. Planen Sie die Stellplätze also unbedingt in die gesamten Baukosten mit ein. Wenn die Flächenbeschränkung als einzige Lösung zu einer Tiefgarage führt, ist Vorsicht angebracht. Tiefgaragen sind im normalen oder günstigen Mietwohnungsbau meist nicht wirtschaftlich darstellbar und dann auch nicht finanzierbar.

Fazit: Die Stellplatzsatzung ist eine der wichtigsten Beschränkungen Ihres Bauprojekts

Die Stellplatzverordnung hat, wie Sie jetzt wissen, einen erheblichen Einfluss auf Ihr Bauvorhaben. Bevor Sie mit einem Projekt in die konkrete Planung gehen, sollten Sie sich deshalb unbedingt mit dem B-Plan und der Stellplatzsatzung vertraut machen. Erst dann können Sie kalkulieren, ob Ihnen Ihr Mehrfamilienhaus den erwünschten Gewinn bietet. Möglicherweise ist es für Sie wirtschaftlicher, wenn möglich, eine Ablösesumme zu zahlen. Empfehlenswert ist die Vermeidung einer Tiefgarage meist immer. Bei diesen Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit sowie bei der Konkretisierung Ihres Bauvorhabens sollten Sie Ihren Architekten daher frühzeitig mit einbeziehen.